Die EVI Energieversorgung Hildesheim GmbH & Co. KG plant die Versorgung ihrer Kunden mit BioWärme aus nachwachsenden Rohstoffen. Auf dem Gelände der Stadtwerke Hildesheim AG wird dazu ein Holzheizkraftwerk errichtet. Dieses Kraftwerk wird mit Hackschnitzeln ausschließlich aus Waldrestholz aus der Region Hildesheim befeuert. Die dabei gewonnene Energie wird nach dem Prinzip der Kraftwärmekopplung einerseits zur Stromerzeugung genutzt, andererseits wird Wärme über eine zurzeit im Bau befindliche Fernwärmeleitung den Hildesheimern ab dem Jahr 2011 zur Verfügung gestellt. Die geplante Anlage wird etwa 0,6 MW elektrische und 6,7 MW thermische Energie erzeugen.
Fernwärmenetz
Vom Gelände der Stadtwerke aus wird die ca. 3,5 km lange Hauptschlagader der Fernwärmeleitung entlang der Speicherstraße bis zum Wasserparadies im Norden und Richtung Süden vorbei an der zukünftigen Arnekengalerie und der Andreaspassage zunächst bis zum Dom gebaut.
Da für die Fernwärmeversorgung eine Vor- und eine Rücklaufleitung benötigt werden, sind zwei parallele Rohrleitungen entweder als Einzelrohre mit Durchmessern von 200 bis 300 mm oder als Twin-Rohre mit Durchmessern von 65 bis 200 mm zu verlegen.
Für die Aufnahme des Mediums dienen jeweils Stahlrohre mit einer Wärmedämmung, die ihrerseits wieder durch ein Kunststoffmantelrohr vor Durchfeuchtung geschützt ist. Um Leckagen zukünftig sicher orten zu können, werden innerhalb der Wärmedämmung Messdrähte verlegt, über die zukünftig eine metergenaue Ortung von Leckagen möglich sein wird.
Bautechnische Herausforderungen
Die Verlegung einer Doppelrohrleitung in beengten öffentlichen Verkehrsflächen innerstädtischer Bereiche stellt eine besondere Herausforderung dar. Der Untergrund ist bereits durch eine Vielzahl von Versorgungsleitungen und Kanälen verbaut. Die historische Entwicklung dieser Anlagen ist nicht immer so geraten, dass automatisch ausreichend Platz vorhanden ist, damit zwei neue zum Teil doch recht dicke Rohre mit einem Außendurchmesser von bis zu 450 mm in die Straße hineinpassen. Teilweise wurden auch Leitungen unbekannter Nutzer angetroffen.
In jedem Bauabschnitt ist daher nicht nur die Findung einer geeigneten Trasse erforderlich, sondern auch das geeignete Bauverfahren war unter wirtschaftlichen, lokalen und technischen Randbedingungen zu erarbeiten.
Archäologie
Erschwerend kommt hinzu, dass ein großer Teil der Haupttrasse durch historisch bedeutsames Gebiet der Stadt Hildesheim führt. Zu nennen sind hier das Hagentor, die Bernwardsmauer, Uferbefestigungen der unterirdisch verlaufenden Treibe, der Stadtgraben, alte Trinkwasserleitungen und Wehrgänge sowie Siedlungsabfälle vergangener Jahrhunderte.
Um bei dieser historisch einmaligen Chance möglichst viele Informationen aus dem Untergrund gewinnen zu können, sind Archäologen in den maßgeblichen Bauabschnitten permanent anwesend. Baufirmen haben Unterbrechungen für mehrere Tage einzukalkulieren.
Kampfmittel
Weite Abschnitte des Baufeldes sind als Kampfmittelverdachtsflächen ausgewiesen. Das bedeutet, schon bei der Baugrunderkundung sind Sondierungen im Vorfeld erforderlich. Da derartige Sondierungen lediglich einen Radius von 75 cm sicher abdecken, sind für nahezu jeden Bohrpunkt im Vorfeld Sondierungen erforderlich. Erst nach Bestätigung der Kampfmittelfreiheit kann dann mit den eigentlichen Arbeiten begonnen werden. Dies gilt auch für Bauarbeiten mit gesteuertem Rohrvortrieb. Bei Arbeiten im offenen Rohrgraben ist die permanente Anwesenheit des Kampfmittelräumdienstes erforderlich.
Bauverfahren
Weite Strecken der Fernwärmeleitungen können in offener Bauweise hergestellt werden. Trotz sorgfältiger Planung und Auswertung aller Bestandsunterlagen war und ist es jedoch in besonders beengten Bereichen der Innenstadt zum Teil nur möglich, durch vorherige Querschläge geeignete freie Trassen für die Fernwärme zu finden. Zur Kreuzung der vorhandenen Leitungen sind Verschwenkungen sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung erforderlich, die zum Teil bis einige Meter tief in die Erde führen. Ein neuralgischer Punkt ist die Kreuzung der B 1 mit einer innerörtlichen Hauptverkehrsstraße. Um hier den Verkehr nicht zum Erliegen zu bringen, wurde entschieden, die Kreuzung im gesteuerten Vortrieb durch Auffahren eines Stahlschutzrohres mit 1.200 mm Durchmesser über eine Länge von 40 m zu unterqueren.
Im Bereich der Kardinal-Bertram-Straße mussten Mischwasserkanäle umgelegt werden, um hier eine freie Trasse zu schaffen. Im weiteren Verlauf in Richtung Dom ist dann der Straßenquerschnitt derartig mit Versorgungsleitungen belegt, dass nur noch eine Unterquerung aller vorhandenen Leitungen und Kanäle mit Hilfe des Horizontalspülbohrverfahrens möglich war. Insgesamt wurden 560 m Wärmeleitungen auf diese Weise in den Untergrund eingebracht.
Für die Bauarbeiten ließen und lassen sich Straßensperrungen nicht vermeiden. Eine umfangreiche Verkehrslenkung wurde aufgebaut, die in die Steuerung der Lichtsignalanlagen der Stadt Hildesheim zu integrieren war. Die Leitungsbauarbeiten in der Innenstadt werden außerdem kombiniert mit ohnehin durchzuführenden Straßenbauarbeiten entweder im Zusammenhang mit dem Neubau der Arnekengalerie oder Baumaßnahmen, die aus dem Weltkulturerbefonds oder mit anderen Fördermitteln finanziell unterstützt werden. Zeitgleich wurden außerdem notwendige Kanalsanierungsarbeiten für die Stadtentwässerung Hildesheim in den betroffenen Bauabschnitten realisiert.